Am Ende schimmerte die Hoffnung durch
Referent ermutigte Laaspher beim Pogrom-Gedenken in ihren Alte-Synagogen-Planungen
Bad Laasphe. „Es gibt hier Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen und mit Gewehren, in diesem Sinne fühlen wir uns sicher. Wir wissen nicht, wie es mit diesem schrecklichen Krieg weitergeht.“ Der emotionale Höhepunkt vom Laaspher Pogrom-Gedenken liegt sonst am Ende der Veranstaltung beim Verlesen der Namen von Wittgensteinern, die die Nazis aus ihren Nachbarschaften in Laasphe oder Banfe deportierten oder vertrieben. Diesmal war schon der Anfang sehr emotional. Als Vorsitzender des Christlich-Jüdischen Freundeskreises in der Lahnstadt, der alljährlich mit der Stadt Bad Laasphe zu der Gedenk-Veranstaltung einlädt, trug Jochen Menn am Donnerstagabend zunächst einige wenige Sätze vor von Nachfahren der Menschen, die es zwar schafften, den Nazis zu entkommen, die aber trotzdem im Dritten Reich viele Verwandte und ihre Heimat in Wittgenstein verloren. Es waren Sätze von Dalia Lavi, die vor sechs Jahren auf den Spuren ihrer Großeltern in Wittgenstein war, und von Ido Kanyon, der 2022 dabei war, als in Banfe ein Gedenkstein für seine getöteten Vorfahren aufgestellt wurde. Es waren Sätze aus dem Israel der Gegenwart nach dem brutalen Hamas-Terror-Angriff.
Genau das machte etwas Grundlegendes klar: Beim Gedenken am 9. November geht es um deutsche Jüdinnen und Juden und das Versagen ihrer Nachbarn, der deutschen Gesellschaft in 1938, aber genau in dieser gemeinsamen Geschichte wurzelt auch die besondere deutsche Verantwortung gegenüber Israel in der Gegenwart. So war jetzt auch Bürgermeister Dirk Terlinden beim Gedenken in Bezug auf viele der aktuellen Demonstrationen glasklar: „Hier muss der Staat – mehr als bisher – klare Kante zeigen und jegliche Ansätze von Antisemitismus mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen. Auch die Pogrome 1938 hatten ihren Anfang in zunächst harmlosen und dann zunehmend gewaltbereiten Aufmärschen.“
Für Prof. Dr. Siegfried Becker von der Philipps-Universität Marburg als Referent des Abends war es ebenfalls wichtig, aus der Geschichte zu lernen. Er warf Streiflichter auf Vergangenheit und Gegenwart des völkischen Denkens. Nannte konkrete Namen, wenn es darum ging, die Nazi-Zeit als „Vogelschiss“ in der der deutschen Geschichte kleinzureden, und betonte dabei vor allem Notwendigkeit und Nützlichkeit von Erinnerungs- und Lernorten. Deshalb ermutigte er die Laaspher ausdrücklich, ihre Pläne für die Alte Synagoge umzusetzen. Auch weil es wichtig sei, dass sich gerade die nachfolgenden Generationen mit Themen wie Antisemitismus und Toleranz beschäftigten. Passend dazu waren es Constantin Müller, Hannah Stegmann, Joel Stolz, Feiya Su, Anastasia Volz, Gabriel Wassermann und Mustafa Yehia aus dem Elfer-Religions-Kurs von Selina Jenisch am Gymnasium „Schloss Wittgenstein“, die 89 Namen von Laaspher und Banfer Kinder, Frauen und Männer vorlasen. Die Nazis ließen diese nicht mehr zur deutschen Volksgemeinschaft gehören. Neben Jüdinnen und Juden auch Menschen, die als „Zigeuner“ oder in der Aktion „T4“ wegen körperlicher, geistiger und seelischer Einschränkungen verfolgt wurden. Am Ende brannten nur noch vier der zuvor 89 leuchtenden Kerzen auf der Bühne vom Laaspher Haus des Gastes, 85 Menschen überlebten die Nazi-Zeit nicht, ihre Kerzen wurden gelöscht. Laasphes Pfarrer Steffen Post sprach danach auf Aramäisch und Deutsch Kaddisch, als eins der wichtigsten jüdischen Gebete.
Mareike Schäfer, die den Abend am Klavier atmosphärisch dicht gestaltet hatte, begleitete die gut 150 Besucherinnen und Besucher auch bei der abschließenden gesungenen Friedens-Bitte „Hevenu shalom alechem“. Und dabei schimmerte die Hoffnung durch, die Jochen Menn schon am Anfang der Veranstaltung aus einem der aktuellen israelischen Nachfahren-Berichte zitiert hatte: „Ich kann mir vorstellen, dass die Situation aus dem Ausland schrecklich aussieht. In Zeiten wie diesen sehen wir immer mehr zivile Initiativen, die uns zusammenbringen. Mit uns meine ich nicht nur israelische oder jüdische Menschen, weltweit versammeln sich diejenigen, die an das Gute glauben, die an die Menschenrechte glauben und sich gegen den Terror wenden.“