Werke von Vinzenz Becher sind bis zum 6. Mai in der Alten Synagoge und der Stadtkirche Bad Laasphe zu sehen
Bad Laasphe. Etwa vor fünf Jahren brachte der Postbote für Vinzenz Becher eine Sendung nach Herbertshausen, die eigentlich die neue Gedichtsammlung „Nur einen Pulsschlag lang“ des ehemaligen Lehrers am Städtischen Gymnasium Bad Laasphe erhalten sollte. Doch zwischen den Buchdeckeln fand Vinzenz Becher nicht etwa seine eigene Poesie, sondern stattdessen das Pamphlet eines Anderen, das der Herbertshäuser so zusammenfasst: „ein Konglomerat aus Bibelzitaten, Pilgerreiseberichten, autobiografischen Streitereien und religiösen Kontroversen“. Nach ein wenig Hin und Her bekam der Dichter schließlich doch noch seine eigene Textsammlung vom Verlag, der Fehldruck habe indes ein Dasein „als editorische Kuriosität im Regal“ gefristet. Bis er im vergangenen Jahr einer Aufräumaktion zum Opfer gefallen und in der Altpapierkiste mit Zeitungen und Prospekten gelandet sei. Dort habe er ihn wieder herausgefischt, erinnert sich Vinzenz Becher, mit der Idee, den Text zu überschreiben, zu übermalen und zu überzeichnen. Was dabei herausgekommen ist, können Interessierte derzeit in der Alten Synagoge und der evangelischen Stadtkirche in Bad Laasphe sehen.


Bei der Eröffnung der Ausstellung „Schriftstücke – kryptisch – kalligrafisch“ in der Alten Synagoge erzählte der Künstler jetzt genau diese Geschichte. Nachdem Jochen Menn als Vorsitzender des Christlich-Jüdischen Freundeskreises Bad Laasphe die rund 30 Gäste begrüßt hatte, ließ er sich von Vinzenz Becher den Weg zu den Kunstwerken hin erläutern. Dabei wurde auch die Methode „Palimpsest“ vorgestellt. Deren historischen Wurzeln reichen Jahrtausende zurück: Der Mangel an oder die hohen Kosten für Material zum Draufschreiben führte dazu, dass pflanzliches Papyrus und später Tierhaut-Pergamente mehrfach benutzt werden mussten. Aus der praktischen Notwendigkeit ist längst eine Kunst-Technik geworden, die Vinzenz Becher angewendet hat. Auch um sich kritisch mit dem frömmelnden Text des fremden Autors auseinanderzusetzen.


Als Malgrund dienten ihm die Buchseiten, „die durch Verfahren der Überschreibung fast unsichtbar werden, dabei werden Begriffe und Sätze hervorgehoben, sodass ein neuer Kontext und Sinn entstehen“, erläuterte der Künstler. Umrahmt wurde die Vernissage – passend zum Ausstellungsort – mit einem kleinen Musik-Programm unter der Überschrift „Méditation Hébraϊque“: Bettina Büttgen mit Flöte und Saxophon sowie Ursula Schulten am Piano spielten Ernest Blochs „Jewish Song“ und Ignaz Moscheles Bearbeitung von Johann Sebastian Bachs Präludium h-Moll.


Die Palimpsest -Kunstwerke von Vinzenz Becher sind bis Dienstag, 6. Mai, in der Alten Synagoge an der Mauerstraße 44 und im zweiten Ausstellungsort, der Evangelischen Stadtkirche Bad Laasphe, zu sehen: dienstags und donnerstags zwischen 15 bis 17 Uhr. In der Stadtkirche zusätzlich noch vor und nach den Sonntags-Gottesdiensten. Alle Interessierten sind an beiden Orten herzlich willkommen.
weitere Impressionen
von der Ausstellungseröffnung





Text und Fotos: Jens Gesper