Stefan Vomhof blickte zum Jahrestag in der alten Laaspher Synagoge auf das Kriegsende hier vor Ort
Bad Laasphe. „Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen. Wir haben wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu beteiligen. Aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg.“ Diese Worte des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker aus 1985 zitierte am Mittwochabend der Biedenkopfer Stefan Vomhof gleich zu Beginn in der Alten Synagoge an der Laaspher Mauerstraße. Anlass war der 80. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Und 50 Besucherinnen und Besucher in dem vollbesetzten, ehemaligen Gebetsraum machten deutlich, wie groß derzeit das Interesse an dem Thema ist.
Für den Vortrag konnte Stefan Vomhof an diesem Abend auf sein Buch „Es ist alles auch hier passiert: Zur Geschichte des Nationalsozialismus in unserer Region mit Schwerpunkt Hinterland und Wittgenstein“ zurückgreifen. Jahr für Jahr arbeitet er darin die Situation hier vor Ort auf, die Reichspogromnacht und die Zwangsarbeit bilden nochmal eigene Kapitel. Der Biedenkopfer konzentrierte sich in der Alten Synagoge auf die zweite März-Hälfte 1945, seine Begründung: „Spätestens Anfang April 1945 endet in unserer Region die Herrschaft der Nationalsozialisten.“ Oder anders gesagt: „Am 8. Mai herrscht in Wittgenstein schon seit mehreren Wochen Nachkriegszeit.“
Ein generelles Problem für den Heimat-Historiker: „Wie über die gesamte Zeit des Dritten Reichs gibt es auch zu den Ereignissen der letzten Kriegstage kaum neutrale Dokumente. Die Rekonstruktion der Ereignisse ist nur mit Hilfe von Zeitzeugen möglich. Diese widersprechen sich jedoch häufiger, so dass eine sichere Beschreibung mancher Ereignisse und/oder ihre zeitliche Zuordnung manchmal nicht möglich ist.“ Und dennoch ergab sich an dem Abend ein relativ klares Bild. Einfach aufgrund der vielen Quellen, die Stefan Vomhof in einer unglaublichen Fleißarbeit durchforstet hatte: Aufsätze und Dorf-Chroniken, Fachliteratur und Zeitungsartikel – und immer wieder persönliche Erinnerungen. Akribisch zählte der Referent zum Beispiel die zahllosen alliierten Luftangriffe auf die heimische Region auf, wo etwa das hessische Hinterland am 16. März als Ausweichziel ins Visier geriet, weil schlechte Sicht die eigentlich geplante Bombardierung der Eisenbahnbrücke in Niedermarsberg vereitelte. Sein Fazit für alle aufgeführten Bomber-Einsätze in diesen letzten Tagen des Kriegs fällt dabei verheerend aus: „Militärisch sind alle Angriffe sinnlos.“ Getroffen werden Zivilbevölkerung oder auch mal Zwangsarbeiter. Und auch im Hinblick auf die Täter, die in ihren Nationalsozialismus-Führungspositionen deutlich mehr als Mitläufer waren, fällte Stefan Vomhof ein klares Urteil: „Die letzten Kriegstage in Wittgenstein zeigen nochmal deutlich, welch amoralische Menschen das NS-System auch auf lokaler Ebene in hohe Ämter gebracht hat. Entgegen ihrer öffentlichen Durchhalteparolen haben die lokalen Nazigrößen die Hoffnung auf den Endsieg wohl endgültig verloren und im Rothaargebirge im abgelegenen Gasthof Jagdhaus ein sicheres Quartier vorbereitet. Personen, die sie dort zufällig antreffen, werden unverzüglich mit unsinnigen Befehlen wieder zur Beteiligung am Widerstand gegen die Amerikaner weggeschickt.“
Ein verrottetes System der Unehrlichkeit und Unfreiheit, so dass Stefan Vomhof am Ende noch einmal aus Richard von Weizsäckers Rede vom 8. Mai 1985 zitierte: „Ehren wir die Freiheit. Arbeiten wir für den Frieden. Halten wir uns an das Recht. Dienen wir unseren inneren Maßstäben der Gerechtigkeit.“
Text und Fotos: Jens Gesper