Eine Lesung mit der Autorin Anne Siegel
Bad Laasphe. „Dies ist die Geschichte einer unerschrockenen Frau, die hundert Jahre alt wurde und noch immer lacht wie ein junges Mädchen.“ Der Satz stammt aus dem 220-Seiten-Buch „Señora Gerta“ von Anne Siegel, die darin die Lebensgeschichte von Gerta Stern aufgeschrieben hat. In fünf Monaten wird Gerta Stern 102 Jahre alt, ihre Geschichte erweckte jetzt die Autorin Anne Siegel in Bad Laasphe zum Leben. Und zwar gleich zweimal. Morgens in der Aula des Städtischen Gymnasiums Bad Laasphe waren es bei einer Veranstaltung vom Schulreferat des Evangelischen Kirchenkreises Wittgenstein rund 140 Schülerinnen und Schüler, abends beim Vortrag in Kooperation mit dem örtlichen Christlich Jüdischen Freundeskreis gut 30 Besucherinnen und Besucher im Laaspher Haus des Gastes. Die Zusammenarbeit bot sich an, denn Gerta Stern ist Jüdin, der Untertitel des Buches über sie lautet: „Wie eine Wiener Jüdin auf der Flucht nach Panama die Nazis austrickste.“ Und tatsächlich lächelt „Señora Gerta“ dem Leser auch aus dem Titelbild der Biographie entgegen.
Mehr als 70 Jahre nach dem Holocaust fällt es in Deutschland oft noch schwer die Vokabeln „Jüdin“ und „lachen“ in einem Atemzug zu denken, auch wenn das deutsche Wikipedia Internet-Lexikon eine eigene Seite zum Jüdischen Witz hat und sich im Fernsehen sogar schon eine Planet-Wissen-Sendung mit dem Jüdischen Humor beschäftigte. Bei Anne Siegel funktionieren die beiden Vokabeln sehr gut miteinander, auch weil Gerta Stern trotz all ihrer schlimmen Erlebnisse, die auch im Buch erzählt werden, sich auf ihrem Lebensweg nie ins Bockshorn jagen ließ: „Dieses Furchtlose, ich weiß nicht, woher das kommt, aber ich hatte es schon als Kind.“ Sie lässt sich von den Nazis partout nicht zum Opfer machen. Das ist nicht allein ihr Verdienst, sondern auch das der Umstände, die viele andere Menschen einfach sehr viel ruchloser ins Verderben schickten. Und doch verlangte allein die Haltung von Gerta Stern vielen der Gäste bei den beeindruckenden Lesungen in Bad Laasphe Respekt ab.
Am Ende des Buches schreibt Anne Siegel den Halbsatz über Gerta Stern, der der entscheidende Merksatz für alle Zuhörerinnen und Zuhörer in Bad Laasphe gewesen sein könnte, egal wie alt oder jung die waren. Gerta Stern sage selbst, sie sei auch deshalb so alt geworden, „weil sie der Verbitterung nie einen Platz in ihrem Leben gab“. Der weise Ratschlag einer Frau, die Mitte Oktober ihren 102. Geburtstag feiert und sich von den Nazis doch nicht ihren Ehemann wegnehmen ließ.