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Es wurde vollendet, was man 1938 nicht geschafft hatte

Peter Seibert zeichnete in Bad Laasphe ein düsteres Bild vom Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe nach 1945

Bad Laasphe. In seiner Begrüßung im Laaspher Haus des Gastes freute sich Jochen Menn am Montag als Vorsitzender des örtlichen Christlich-Jüdischen Freundeskreises, dass Prof. Peter Seibert an diesem Abend unter der Überschrift „Demontage der Erinnerung – der Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe nach 1945“ einen Vortrag halten werde. Das war auch so, nur Peter Seibert sagte gleich zu Beginn, dass man den Titel „Professor“ an diesem Abend weglassen möge. An der Universität habe er als Germanist und Medienwissenschaftler gearbeitet, sein dem Vortrag zugrundeliegendes gleichnamiges Buch sei jedoch kein wissenschaftliches, sondern ein politisches Werk.

Dennoch liefert das 2023 veröffentlichte Buch auf 400 Seiten einen großen Schatz an sorgfältig zusammengetragenen Fakten, alte Fotos aus dem deutschen jüdischen Gemeinde-Alltag sowie Bilder davon, wie die Spuren des jüdischen Lebens sogar nach Ende des Zweiten Weltkriegs in West und Ost endgültig beseitigt wurden. Zunächst hatte Peter Seibert für die rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörer in der über zweistündigen Veranstaltung eine kurze Einführung in die Thematik und eine allgemeine Übersicht zum aktuellen Stand der Dinge. Anschließend las er aus dem Buch Textstellen über konkrete Beispiele der Demontage vor. Eine Schlussstrich-Demontage, die Erinnerungen und Spuren auslöschte, damit die Frage nach einer Schuld gar nicht mehr gestellt werden konnte.

Wenn man die Synagoge planiert habe, dann seien auch die Täter nicht mehr zu benennen, brachte der 76-Jährige das Vorgehen auf den Punkt, das sich nach 1945 fortgesetzt habe. Das Abbrechen ehemaliger Gebäude der jüdischen Gemeinden ging weiter. Die Gewalt gegen Gebäude sei für ihn ein Verweis auf die ebenfalls stattfindende Gewalt gegen Menschen. Ein anderer Weg, sich der verbliebenen Synagogen zu entledigen, sei deren fortschreitende Baufälligkeit gewesen. Mit einem Fingerzeig auf die Reichspogromnacht sprach Peter Seibert davon, dass nach dem Krieg vollendet worden sei, was man 1938 nicht geschafft habe. Gerade in Nordrhein-Westfalen habe es ab den 1950er Jahren viele Abrisse solcher Gebäude gegeben.

Durch Berichte über den Umgang mit Synagogen aus den länger zurückliegenden Nachkriegs-Jahrzehnten, aber auch aus der ganz aktuellen Gegenwart erläuterte Peter Siebert einleuchtend, weshalb er an vielen Stellen in diesen Erzählungen „ein antisemitisches Grundrauschen“ wahrnimmt. Den Einwand, dass in den Nachkriegsjahren doch insgesamt viel historische Bausubstanz vernichtet worden sei, konterte er mit dem Hinweis, dass nach den Gräueln und Schrecken der Nazi-Herrschaft in Deutschland man insbesondere mit Synagogen sehr viel sensibler hätte umgehen müssen, weil das Judentum hier nun einmal fast insgesamt vernichtet worden sei. Während des Vortrags merkte man Peter Seibert immer wieder deutlich seine Empörung an, ganz einfach, weil es empörende Fakten waren, von denen er berichtete. Eine Einschätzung, die ihm auch seine Zuhörenden spiegelten. So entspannen sich zwischen dem Referenten und seinem Publikum immer wieder Dialoge der Fassungslosigkeit. Offenbar hatte kaum jemand im Haus des Gastes solch eine Geringschätzung für das jüdische Kulturerbe erwartet, für die der Umgang mit den Synagogen an diesem Abend das greifbarste Beispiel war. Umso mehr freute sich Peter Seibert über die Pläne des Christlich-Jüdischen Freundeskreises Bad Laasphe, aus der Alten Synagoge in der Lahnstadt einen Erinnerungs-, Lern- und Begegnungsort zu machen. Für den Referenten eine angemessene und sehr gute neue Nutzung. Auch Jochen Menn fühlte sich als Freundeskreis-Vorsitzender nach dem Vortrags- und Diskussionsabend bestätigt, dass das Alte-Synagoge-Projekt offenbar ein ganz wichtiges sei.

Text: Jens Gesper

Jochen Menn begrüßte als Vorsitzender des örtlichen Christlich-Jüdischen Freundeskreises am Montag im Laaspher Haus des Gastes die Zuhörenden zu einem Vortrag unter der Überschrift „Demontage der Erinnerung – der Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe nach 1945“. (Foto: Jens Gesper)
Peter Seibert konnte sich bei seinem Vortrag „Demontage der Erinnerung – der Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe nach 1945“ über 30 Zuhörerinnen und Zuhörern im Laaspher Haus des Gastes freuen. (Foto: Jens Gesper)
Zwischen Peter Seibert und seinen Zuhörenden entspannen sich im Laaspher Haus des Gastes immer wieder Dialoge der Fassungslosigkeit über den geringschätzigen deutschen Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe nach 1945. (Foto: Jens Gesper)
Zwischen Peter Seibert und seinen Zuhörenden entspannen sich im Laaspher Haus des Gastes immer wieder Dialoge der Fassungslosigkeit über den geringschätzigen deutschen Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe nach 1945. (Foto: Jens Gesper)
Zwischen Peter Seibert und seinen Zuhörenden entspannen sich im Laaspher Haus des Gastes immer wieder Dialoge der Fassungslosigkeit über den geringschätzigen deutschen Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe nach 1945. (Foto: Jens Gesper)
Genauso wie Bilder zu seinem Buch „Demontage der Erinnerung – der Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe nach 1945“ gehören, hatte Peter Seibert (links) auch für seinen Vortrag im Laaspher Haus des Gastes Fotos mitgebracht, außerdem auch ein paar Internet-Videos. (Foto: Jens Gesper)

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Da der Verein die alte Synagoge in der Mauerstraße 44 renovieren will, benötigt er finanzielle Unterstützung (Spendenquittungen werden erstellt).

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